Vom 7. bis 14. April 1997 wurde in Österreich das „Frauenvolksbegehren“ durchgeführt. Es wurde von 11,17% der Wahlberechtigten (644.665 Personen) unterstützt.
„Als Reaktion auf die beiden von der Koalitionsregierung beschlossenen Sparpakete und auf die zunehmend verstummende Frauenbewegung und Frauenpolitik initiierte das UnabhängigeFrauenForum (UFF), eine überparteiliche Plattform, 1997 ein Frauenvolksbegehren. „Alles, was Recht ist!“, lautete das Motto des Frauenreferendums“1, das 11 Forderungen beinhaltete.
Der Text des Frauenvolksbegehrens 1997
„Die UnterzeichnerInnen des Frauen-Volksbegehrens fordern den Beschluss folgender bundesgesetzlicher Maßnahmen:
Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist im Bundes-Verfassungsgesetz zu verankern. Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) verpflichtet sich damit zum aktiven, umfassenden Abbau der Benachteiligungen von Frauen.
Die tatsächliche Gleichberechtigung ist insbesondere durch folgende gesetzliche Maßnahmen herzustellen:
1 Unternehmen erhalten Förderung und öffentliche Aufträge nur, wenn sie dafür sorgen, dass Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind.
2 Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist anzustreben. Deshalb ist ein Mindesteinkommen von S 15.000,- brutto, das jährlich dem Lebenskostenindex angepasst wird, zu sichern.
3 Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung sind arbeits- und sozialrechtlich der vollen Erwerbstätigkeit gleichzustellen.
4 Keine Anrechnung des PartnerIneinkommens bei Notstandshilfe und Ausgleichszulage.
5 Die Gleichstellung der Frauen muss auch durch staatliche Bildungsmaßnahmen gefördert werden. Die Bundesregierung hat geschlechtsspezifische Statistiken zu den Themen Beruf und Bildung zu erstellen und jährlich zu veröffentlichen.
6 Jeder Mensch hat das Recht, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Daher hat der Gesetzgeber für die Bereitstellung ganztägiger qualifizierter Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersstufen zu sorgen. Tagesmütter sind auszubilden und arbeits- und sozialrechtlich abzusichern.
7 Zwei Jahre Karenzgeld für alle AlleinerzieherInnen.
8 Gesetzlich garantierter Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit.
9 Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz nach der Karenzzeit auf 26 Wochen.
10 Jeder Mensch hat das Recht auf eine Grundpension, die nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Wenn ein/e Lebenspartner/in nicht erwerbstätig ist, hat der/die andere dafür Pensionsbeiträge zu zahlen. Kindererziehung und Pflegearbeit wirken pensionserhöhend.
11 Keine weitere Anhebung des Pensionsantrittsalters für Frauen, bevor nicht die tatsächliche Gleichberechtigung in allen Bereichen gegeben ist.“
Parteien & Frauen-Volksbegehren
„Für die Einleitung eines Volksbegehrens sind laut österreichischer Bundesverfassung entweder mindestens 100.000 Unterschriften oder die Unterzeichnung von mindestens 8 Abgeordneten des Nationalrates notwendig. Unterstützung erhielt das Frauen-Volksbegehren von den SPÖ-Frauen. Johanna Dohnal, die 1995 aus der Regierung ausscheiden musste, propagierte persönlich die Initiative. Die Grünen und auch die Liberalen sprachen sich ebenfalls für die Anliegen des Volksbegehrens aus. ÖVP, FPÖ und deren Frauenorganisationen äußerten Bedenken gegen das Begehren insgesamt bzw. gegen einzelne Forderungen. Aber auch aus Protest über die Vorgehensweise der Initiatorinnen – die weiblichen Abgeordneten der FPÖ wurden von den UFF-Frauen nicht direkt um Unterstützung gebeten – lehnten die FPÖ-Abgeordneten das Frauen-Volksbegehren ab und brachten einen eigenen Entschließungsantrag mit ähnlich lautenden Forderungen im Parlament ein.“2
644.665 Menschen haben das Frauen-Volksbegehren unterschrieben,
davon ca. ¾ Frauen.
Der relativ stärkste Pro-Frauen-Protest wurde von den beiden Kleinparteien (LiF, Grüne) mobilisiert. Etwa vier von zehn ihrer WählerInnen haben das Frauenvolksbegehren unterschrieben.
In absoluten Zahlen jedoch kommt die Stärke der SPÖ zum Tragen.
Die rund 645.000 Frauen-Volksbegehren-Unterschriften setzten sich wie folgt zusammen
– 37 Prozent SPÖ-WählerInnen,
– 9 Prozent ÖVP-WählerInnen,
– 4 Prozent FPÖ-WählerInnen,
– 15 Prozent Grün-WählerInnen und
– 13 Prozent von den Liberalen.
– 21 Prozent waren NichtwählerInnen der Nationalratswahl 1995.3
„Der 1997 designierte Bundeskanzler Viktor Klima gab sich zwar ‚frauenfreundlich‘, aber dem von den SPÖ-Frauen mitunterstützten Frauen-Volksbegehren verweigerte er seine Unterschrift. Und zwar mit der Argumentation: ‚Ich unterstütze zwar die Anliegen der Initiatorinnen, aber einige Punkte sind einfach nicht umsetzbar, zum Beispiel 15.000 Schilling Mindesteinkommen‘.“4
SPÖ-Frauenreaktionen
Die von rund 645.000 ÖsterreicherInnen unterzeichneten Forderungen des Frauen-Volksbegehrens wurden bei den Verhandlungen im Unterausschuss des parlamentarischen Gleichbehandlungsausschusses auch von sozialdemokratischen Parteifrauen als „realitätsfern, nicht finanzierbar, realpolitisch unmöglich“ abgeschmettert. Obwohl 21 Abgeordnete der SPÖ das Einleitungsverfahren zum Volksbegehren am 27. November 1996 unterstützt hatten, wurde lange Zeit kein einziger Punkt von der Regierung umgesetzt. Der Vorwurf der Opposition blieb nicht aus:
„Die SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Hlavac, die den Ausschuss leitete, konterte auf diesen Vorwurf, dass die Opposition ’schwarzzeichnen‘ würde. Sie rechtfertigte sich weiters, dass ‚auch ihr die Gleichstellung von Frauen zu langsam vorangehe, aber es gebe eine Reihe wichtigerer Verbesserungen für Frauen. Der SPÖ gehe es darum, dass Frauen, die Kinder haben, auch berufstätig sein können.‘ Und ihre Parteikollegin Ilse Mertel bekräftigte zwar, dass die SPÖ hinter den Forderungen des Frauen-Volksbegehrens stehe, schob jedoch das Scheitern auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament ab. Die damalige Frauenministerin Barbara Prammer signalisierte in allen Punkten Unterstützung, aber auch sie wies in ihrer Beantwortung darauf hin, ‚dass noch viel zu tun sei‘ und ‚dass man dieses Thema sicher noch oft im Parlament behandeln werde müssen.“5
Zitat aus dem Bericht über die Arbeit des Bundesfrauenkomitees im Jahrbuch des 36. ordentlichen Bundesparteitages der SPÖ, Wien: 2000
„Frauenvolksbegehren
Als Ende 1996 die Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens um Unterstützung bei den Nationalratsabgeordneten baten, waren unsere Frauen die Erstunterzeichnerinnen und erklärten umgehend ihre Unterstützung. Der Erfolg von 640.000 Unterschriften signalisiert den nach wie vor gegebenen Handlungsbedarf im frauenpolitischen Bereich, auch wenn einiges bereits, trotz großem Widerstand des Koalitionspartners, umgesetzt werden konnte. In allen von SPÖ-Regierungsmitgliedern geleiteten Ressorts gingen z.B. öffentliche Aufträge bevorzugt an Unternehmen, die Frauen fördern. Oder die Begünstigung bei der Berechnung der Notstandshilfe in Form einer Freigrenze nach dem 50. Lebensjahr. Und die mit 1.1.2000 wirksame Steuerreform, die vor allem kleinere und mittlere Einkommen entlastet, sowie die sozialrechtliche Absicherung geringfügig Beschäftigter bedeutet aufgrund ihres geringeren Einkommens vor allem für Frauen eine Verbesserung. Nach wie vor fordern die SPÖ-Frauen die gänzliche Umsetzung der Forderungen des Frauenvolksbegehrens, wie zum Beispiel des gesetzlichen Anspruchs auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt des Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit.“
Anmerkungen & Literatur
1) Rösslhumer, Maria / Appelt, Birgit: Hauptsache Frauen, Graz (u.a.) 2001, 60
2) ebd., 61
3) Daten: www.frauennews.de
4) Rosenberger, Sieglinde Katharina: Direkte Demokratie und Geschlechterpolitik. In: Wolfgruber, Elisabeth / Grabner, Petra (Hg.): Politik und Geschlecht, Innsbruck (u.a.) 2000, 58
5) Rösslhumer / Appelt, a.a.O., 80f;
parlamentarische Behandlung des Frauenvolksbegehrens siehe Website des österreichischen Parlaments
Weitere Literatur
Kogoj, Traude: Lauter Frauen. Hintergründe und Perspektiven des Frauenvolksbegehrens. Wien 1998
Statistisches Material
Website des Innenministeriums (BMI) – Frauen-Volksbegehren