Die Autonome Frauenbewegung entstand im Gefolge der politischen Aufbruchstimmung der 68er-Bewegung. Sie organisierte sich in Wien in der AUF (Aktion unabhängiger Frauen). Darüber hinaus entstanden in den späten 70er und 80er Jahren in Österreich zahlreiche Frauengruppen und -projekte. Ihr wichtigstes Merkmal war die Autonomie von Parteien und Männern: ‚Die Frauenbewegung bahnt den Weg für eine sexuelle und kulturelle Revolution, die jedoch nur im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Revolution gesehen werden kann.‘ (AUF, Eine Frauenzeitschrift, Nr. 1, 1974)
Die gesellschaftliche Trennung in öffentliche und private Bereiche wurde nicht akzeptiert. Mit dem Prinzip ‚das Private ist politisch’* deckten Frauen Herrschaftsstrukturen in der Gesellschaft auf – in der Familie, der Sexualität, den geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibungen.
Ausgehend von der persönlichen Erfahrung wurde die gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen analysiert und als ein wesentlicher Punkt der Zugriff auf den weiblichen Körper aufgezeigt: Gewalt gegen Frauen, Kontrolle über ihre Gebärfähigkeit, Vermarktung des weiblichen Körpers in der Werbung, Pornographie und später Gen- und Reproduktionstechnologien.
Einen weiteren Faktor der Frauenunterdrückung stellte die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft dar – in Form von gesellschaftlich notwendiger unbezahlter Hausarbeit und niedriger Entlohnung ihrer Erwerbsarbeit. Die Politik der Autonomen Frauenbewegung richtete sich gegen diese Strukturen, wobei unterschiedliche Konzepte der Veränderung entwickelt wurden – von radikalen Strategien und dem Aufbau einer weiblichen Gegenkultur bis zu Reformen innerhalb des bestehenden Systems.
Einen Schwerpunkt der politischen Aktivitäten stellte zu Beginn der Kampf um die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruches dar. Hier wirkten Frauen aus SPÖ, KPÖ und Autonomer Frauenbewegung zusammen.
Die Fristenregelung, 1975 in Kraft getreten, war für die Autonome Frauenbewegung ein Kompromiss; ihre Forderung nach Schwangerschaftsabbruch auf Krankenschein in allen öffentlichen Krankenanstalten konnte nicht umgesetzt werden.
Die Aktivitäten der Autonomen Frauenbewegung waren vielfältig. Mit Demonstrationen zum Internationalen Frauentag, zur Walpurgisnacht und zum 1. Mai, mit Straßentheatern und Protestaktionen gegen sexistische Werbung konfrontierten Frauen die Öffentlichkeit mit ihren Forderungen: Frauenzentren, -zeitschriften, -lokale und -buchhandlungen, Frauenhäuser, Beratungsstellen, ein Frauenverlag, Frauengalerien und eigene Budgetmittel für frauenspezifische Lehrveranstaltungen an den österreichischen Hochschulen bildeten einen Teil der feministischen Infrastruktur. Sie war und ist notwendig für Frauen, um selbstbestimmtes Leben und Arbeiten zu realisieren.
Mit der Errichtung des Staatssekretariats für Allgemeine Frauenfragen während der SPÖ-Alleinregierung (1979) und Frauenreferaten in verschiedenen öffentlichen Stellen wurde die Frauenfrage institutionalisiert. 1990 wurde das Frauenstaatssekretariat zum Frauenministerium aufgewertet. Für Frauenprojekte wurde der Zugang zu öffentlichen Medien dadurch erleichtert; gleichzeitig bestand stets die Gefahr, feministische Anliegen zu verwässern.
Die Frauenbewegung der 1990er Jahre umfasste eine Vielfalt von Initiativen, Gruppen, Projekten und Aktivitäten; Frauen in verschiedenen Arbeits-, Kultur- und Lebensbereichen fühlten sich durch ihre Ideen verbunden. Es war gelungen, das Bewusstsein für Frauenunterdrückung in vielen gesellschaftlichen Bereichen zu sensibilisieren.
Heute, fünfzig Jahre nach dem Aufbruch von 1968, ist Feminismus als solidarisches Projekt offenkundig noch lange nicht abzuhaken. Die Themen und Forderungen der alten und neuen Frauenbewegung haben sich in keiner Weise erschöpft. Sie werden von jungen FeministInnen aufgenommen und ergänzt. Der trendige Queer-Feminismus ist bunt und vielfältig. Soziale Medien, queere Blogs und feministische Magazine bringen neuen Schwung in die Diskussion.
Frauen wehren sich, entwickeln neue Kampagnen und kreative Aktionsformen. Sie tanzen mit „One Billion Rising“ auf den Straßen, organisieren Slutwalks und Demonstrationen gegen sexistische Werbung, starten unter den Schlagwörtern #Aufschrei und #MeToo breite gesellschaftliche Debatten über das Thema sexuelle Gewalt.
Immer noch gehen Frauen auf die Straße und führen Kämpfe, von denen sie gehofft hatten, sie längst gewonnen zu haben. Sie protestieren gegen RechtspopulistInnen und christliche FundamentalistInnen, die Schwangerschaftsabbrüche gänzlich verbieten wollen, Homosexualität für widernatürlich erklären und zur patriarchalen Kleinfamilie mit traditioneller Rollenaufteilung zurückkehren wollen.
Antifeminismus und Rechtsruck, Kampagnen, die gegen Lebensformen außerhalb des Mainstreams, Freiheitsrechte und Sexualaufklärung gefahren werden, sind beunruhigende Erscheinungen der Gegenwart. Immer wieder ist lange und bitter Erkämpftes in Gefahr und es gilt, Rückentwicklungen zu verhindern, bereits Erreichtes mit aller Kraft zu verteidigen.
* „Das Private ist politisch“ bedeutete, dass vormals für ‚persönlich‘ bzw. ‚privat‘ erklärte Fragen des Alltags zu einem legitimen Gegenstand von Politik deklariert wurden – beispielsweise Schwangerschaftsabbruch, Gewalt in der Ehe, Sexualität oder auf Frauen und Männer bezogene Rollenzuschreibungen. Diesem Leitspruch wird gegenwärtig des öfteren seine Umkehrung hinzugedichtet (“ … und das Politische ist privat“), was den Sinn seiner ursprünglichen Prägung entstellt.
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