Die Wurzeln
Die Tradition des Internationalen Frauentages geht auf die Arbeiterinnenbewegung um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zurück. Seit Beginn des Kapitalismus wurden die Frauen der ArbeiterInnenklasse doppelt ausgebeutet – als Frauen und bei der Fabrikarbeit unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Es gab daher auch zahlreiche Kämpfe, die von Frauen geführt wurden, um bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten zu erreichen.
Die Kämpfe richteten sich auch gegen die unzumutbaren Wohn- und Lebensbedingungen, unter denen die Frauen der ArbeiterInnenklasse noch mehr zu leiden hatten als die Männer.
So organisierten die nordamerikanischen Sozialistinnen 1909 erstmals einen nationalen Frauenkampftag, um für die Ideen des Sozialismus zu werben und das Frauenwahlrecht zu propagieren.
Ein Jahr später wurde von der 2. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen am 27. August 1910 (100 Delegierte aus 17 Ländern) auf Initiative von Clara Zetkin die alljährliche Durchführung eines internationalen Frauentages festgelegt, der sich gegen die mehrfache Ausbeutung richtete.
Erster Internationaler Frauentag: 19. März 1911
Der erste internationale Frauentag fand am 19. März 1911 in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt. Millionen von Frauen beteiligten sich. Die Wahl dieses Datums sollte den revolutionären Charakter des Frauentags unterstreichen, weil der 18. März der Gedenktag für die Gefallenen in Berlin während der Revolution 1848 war und auch die Pariser Commune (erster Versuch einer proletarischen Revolution) im Monat März begonnen hatte (18. März bis 28. Mai 1871).
In den folgenden Jahren beteiligten sich am Frauentag, der meistens an wechselnden Daten im März oder April stattfand, weltweit Millionen von Frauen an Demonstrationen, Kundgebungen und Aktionen.
Brot & Rosen
Wenn wir zusammen gehn,
geht mit uns ein schöner Tag,
durch all die dunklen Küchen,
und wo grau ein Werkshof lag,
beginnt plötzlich die Sonne
uns’re arme Welt zu kosen,
und jeder hört uns singen
„Brot und Rosen!“
1911 forderte die Gewerkschafterin Rose Schneiderman/USA in einer Rede „bread and roses“/„Brot und Rosen“ für Arbeiterinnen. Der Schriftsteller James Oppenheim (USA) nahm dieses Motto in ein Gedicht auf, das er den arbeitenden Frauen widmete. Martha Coleman (USA) vertonte das Gedicht im Marschrhythmus. Mimi Fariña (USA) vertonte es 1976 neu. 1978 übertrug Peter Maiwald (BRD) das Lied ins Deutsche, Renate Fresow (BRD) überarbeitete dazu die Melodie.
Arr.: Detlef Black, Gesang: Veronika Maruhn, Text: Peter Maiwald, Melodie: Renate Fresow; Quelle: www.black-records.de
Brot und Rosen – Noten und Liedtext Maiwald/Fresow 1978
(PDF, 100 KB)
Im Jänner 1912 streikten rund 14.000 TextilarbeiterInnen gegen Hungerlöhne und Kinderarbeit in Lawrence (USA). Dieser erfolgreiche Streik ging als „Brot-und-Rosen-Streik“ in die Geschichte ein. Zum ersten Mal sangen Frauen das Brot-und-Rosen-Lied , das von da an zur internationalen Gewerkschaftsbewegung gehörte und zur „Hymne des Internationalen Frauentags“ wurde.
Bread and Roses: The Lawrence Textile Strike (YouTube-Video)
Seit 1921: 8. März – Internationaler Frauentag
Erst 1921 wurde der Internationale Frauentag auf den 8. März festgelegt, und zwar von der 2. kommunistischen Frauenkonferenz in Moskau (in Folge politischer Differenzen wurden kommunistische Parteien gegründet, die sich von der sozialistischen Bewegung abspalteten).
Über den Ursprung des Internationalen Frauentages am 8. März gibt es verschiedene Theorien und Deutungen.
Einigen Quellen zufolge geht das genaue Datum auf den 8. März 1857 zurück, an dem Textilarbeiterinnen in New York in Streik traten. Weitere Demonstrationen der Tabak- und Textilarbeiterinnen folgten in diesem Jahr.
Andere Quellen nennen den 8. März 1908 als jenen Tag, an dem die Arbeiterinnen der Textilfabrik „Cotton“ in New York in Streik traten, um bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu fordern. Die Fabrikbesitzer und Aufseher schlossen die Frauen in die Fabrik ein, um den Kontakt und die Solidarisierung mit anderen Belegschaften zu verhindern. Als plötzlich ein Feuer ausbrach, starben 129 Arbeiterinnen in den Flammen.
Weitere Quellen erwähnen, dass mit dem Datum 8. März auch an den großen Textilarbeiterinnen-Streik in St. Petersburg erinnert werden sollte, der auf andere Sektoren übergriff und eine große Arbeiterinnendemonstration auslöste. Diese Kämpfe fanden anlässlich des Frauentages am 8. März 1917 statt – nach dem alten russischen Kalender am 23. Februar – und lösten den Beginn der „Februarrevolution“ aus. Dieses Datum sollte von nun an internationale Bedeutung für die Interessen und den Kampf aller ausgebeuteten und unterdrückten Frauen bekommen.
All diese Erklärungen zur Herleitung des Datums stimmen jedoch darin überein, dass die Wurzeln des Internationalen Frauentags in der Tradition proletarischer Frauenkämpfe liegen.
Zentrale Forderungen waren
- gegen den imperialistischen Krieg
- Arbeitsschutzgesetze
- Wahl- und Stimmrecht der Frauen
- gleicher Lohn bei gleicher Arbeitsleistung
- der Achtstundentag
- ausreichender Mütter- und Kinderschutz
- Festsetzung von Mindestlöhnen
Rollback nach dem Zweiten Weltkrieg
In der Zeit zwischen dem 1. und dem 2. Weltkrieg waren die Forderungen am 8. März vor allem die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruches sowie Mutter- und Schwangerschaftsschutz. Führten diese Themen am Beginn der Zwischenkriegszeit noch zu Massenmobilisierungen, wurde dies durch den Nationalsozialismus jäh abgewürgt: Der Frauentag wurde durch den Muttertag ersetzt, und es war unmöglich, den 8. März in gewohnter Form zu begehen. (Schwangerschaftsabbruch wurde im Nationalsozialismus mit der Todesstrafe geahndet.)
Frauentag 1948 in Wien
YouTube-Video der Stiftung Bruno-Kreisky-Archiv. Film der SPÖ zum Frauentag 1948: Frauen zweier Weltkriege – kämpft um den Weltfrieden! Schwarz-weiß, ohne Ton mit Zwischentiteln, kommentiert von Monika Bernold.
Auch in anderen Ländern wie der Schweiz, die nicht direkt in den Krieg involviert waren, wirkte sich dieser negativ auf die Belange der Frauen aus. Diese rückten nicht nur angesichts anderer Dringlichkeiten (Nahrungssicherheit etc.) während des Krieges in den Hintergrund – der Frauenkampf hatte viel an Dynamik eingebüßt. Das durch den Faschismus propagierte Bild der Frau als Mutter („die Emanzipation von der Emanzipation“ war ein Schlagwort) setzte sich auch nach 1945 fort – in den 50er und 60er Jahren spielte der Frauenkampf keine große Rolle mehr, das Bild der Kleinfamilie als kleinste Einheit des Gesellschaftssystems machte sich breit und verdrängte scheinbar die Befreiungsbestrebungen der Frauen.
Die Entwicklung des Frauentages bis heute
Während der Frauentag bis vor dem 2. Weltkrieg eng mit den ArbeiterInnenkämpfen verbunden war, entwickelte er sich in den 70er Jahren im Zuge der Entwicklung der neuen Frauenbewegung zu einem Tag der Frauensolidarität unter den Frauen aller Schichten und politischen Ausrichtungen.
In den 80er Jahren wurde er von autonomen Frauen wieder als internationaler Kampftag begriffen und in der Praxis dementsprechend umgesetzt, allerdings war dieser Ansatz nicht sehr weit verbreitet.
Die Grundtendenz war eher, die ursprüngliche sozialistische Tradition (die den Kampf gegen die kapitalistischen Strukturen und jegliche Art von Ausbeutung beinhaltet) zu verwässern, wodurch der 8. März zum allgemeinen „Frauenfeiertag“ mutierte, was er heute an vielen Orten immer noch ist.
Im liberal gewordenen gesellschaftlichen Klima der 1970er und 1980er Jahre wurde auch die SPÖ-Frauenorganisation nach einer langen Nachkriegsphase wieder lebendiger und fand verstärkt zu ihren Wurzeln zurück.
Dazu trug auch Johanna Dohnal bei, die zur Hochblüte der autonomen Frauenbewegung Staatssekretärin für allgemeine Frauenfragen im Bundeskanzleramt am Ballhausplatz wurde und einige drängende Forderungen dieser sozialen Bewegung aufzugreifen (und letztlich auch umzusetzen) vermochte.
100 Jahre Internationaler Frauentag
YouTube-Video der SPÖ-Frauen, 2011
Frauenrechte im Wandel der Zeit
YouTube-Video, 8.3.2017
Frauentag 2024: Frauen verdienen mehr!
Weitere Literatur
– Maier, Michaela / Wonisch, Regina: Der internationale Frauentag in Österreich. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Dokumentation / Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung 1/2005
– Niederkofler, Heidi / Mesner, Maria / Zechner, Johanna (Hg.): Frauentag! Erfindung und Karriere einer Tradition, Wien 2011